Gestern Morgen wurde ich mal wieder wachgerüttelt. Viel zu lange hatte ich scheinbar im Tiefschlaf verbracht und die Augen verschlossen vor dem, was das Leben doch so lebenswert und liebenswert macht. Es war unser Sohn, der mir auf so zauberhafte Art und Weise die Augen öffnete für das, was ich leider immer wieder vergesse: Es sind die kleinen Dinge, die uns glücklich machen, die im Leben wirklich zählen. Manchmal kaum wahrnehmbar, ganz leise, ganz sanft und doch so großartig und überwältigend.
Was war passiert?
Eine Situation, wie ich sie tagtäglich erlebe: Wie so oft wollte der kleine Mann fernsehen. Und wie so oft sagte ich „Nein!“. Mein Plan war ein anderer: Raus an die frische Luft, spazieren gehen. Das interessierte unseren Fips allerdings überhaupt nicht. Stattdessen war er innerhalb weniger Sekunden mittendrin in seinem „Tunnel“, aus dem er nicht mehr herauskam. Völlig fixiert darauf, nun seine Sendung schauen zu wollen, schimpfte, jammerte und weinte er, wellerte sich am Boden und war sichtlich überfordert mit sich selbst. Ich wusste, dass ich ihn mit nichts ablenken konnte. Es war einer dieser Momente, in denen erst einmal gar nichts hilft außer abzuwarten. Leider fehlt mir dazu oft die Zeit und vor allem die Geduld. Ja, Geduld gehört nicht gerade zu meinen Stärken. Viel zu oft gebe ich nach, lasse mich um den Finger wickeln. Nicht gerade hilfreich bei einem Kind mit fragilem X-Syndrom, das klare Regeln und Grenzen braucht. Das weiß ich.
An diesem Morgen war es anders.
Zu meiner eigenen Überraschung hatte ich an diesem Morgen tatsächlich die Ruhe und die Geduld, diese Situation auszuhalten. Das Schimpfen und Meckern. Das Jammern und Weinen. Diesen Ton, der mich so durchdringt, dass ich glaube, mein Trommelfell müsste platzen. Zwischendurch versuchte ich, mit lauten und strengen Ansagen dagegen zu steuern. Vergeblich. Doch ich blieb standhaft und hielt es aus.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sich der junge Mann endlich ein wenig zu beruhigen schien und sich selbst dazu überwinden konnte, vom Boden aufzustehen. Langsam ging er zur Garderobe und setzte sich auf seinen Hocker. Und während er sich etwas vom Weinen beruhigt hatte und ich ihm seine Orthesen anzog, hörte ich ein leises „lieb“. Ich war kurz irritiert und fragte nach: „Was sagst Du?“
Habe ich gerade richtig gehört?
Noch einmal: „lieb“. Und ich wusste, was er mir damit sagen wollte. Nur einen Wimpernschlag später kam ein leises „mir leid“ über seine Lippen. Jetzt war ich einfach nur noch sprachlos und überwältigt. Mein kleiner Sohn, der eben noch mitten in einem seiner „Anfälle“ gefangen war, hatte es gerade geschafft, sich selbst zu regulieren und zu beruhigen und mir gleichzeitig noch auf so zuckersüße Art gesagt, dass wir uns wieder liebhaben wollen. Und: dass es ihm leidtut. Ehrlich gesagt kann ich es immer noch nicht glauben, zeigt es doch auch, welche großen Fortschritte er in der sozio-emotionalen Entwicklung gemacht hat.
Dieser kurze Moment, diese drei Worte haben mein Herz erfüllt. In genau diesem Moment wusste ich nicht nur, wie wichtig es ist, Geduld zu haben, sondern auch, wie großartig die kleinsten Momente sein können, die uns geschenkt werden.
Was ich daraus für meinen Blog lernen durfte …
Dabei wurde mir außerdem bewusst, dass es genau diese kleinen Erlebnisse es sind, die ich mit Euch hier teilen möchte. Viel zu lange habe ich geglaubt, dass es doch mehr braucht, um zu berichten. Umfangreiche Artikel zu großen Themen mit viel Recherche und noch mehr Tipps. Daher war es auch lange so still hier. Weil ich mir zu viel vorgenommen hatte. Jetzt habe ich für mich erkannt, dass es gerne auch mal etwas weniger sein darf.
Es sind eben doch die kleinen Dinge …
Bildquelle: pixabay / DWilliam
Liebe Steffi, es sind genau diese kleinen Erlebnisse und Erfahrungsberichte, die anderen Eltern helfen und Mut machen. Bitte unbedingt weitermachen.
Liebe Steffi,
bitte entschuldige meine verspätete Reaktion und hab vielen lieben Dank für Dein tolles Feedback! Das tut wirklich so gut! 🙂