Medizin & Gesundheit

Klinikaufenthalt mit einem „besonderen“ Kind

Eigentlich wollte ich Dir heute einen Leitfaden vorstellen – und zwar für einen Krankenhausaufenthalt mit einem „besonderen“ Kind. Eigentlich wollte ich Dir darin viele wertvolle Infos und Anregungen geben, mit denen Du Dich optimal auf einen geplanten Aufenthalt in der Kinderklinik vorbereiten kannst und der Dir die Zeit in der Klinik erleichtert. Eigentlich. Am Ende musste ich mir aber eingestehen, dass es diesen „ultimativen“ Leitfaden, wie ich ihn geplant hatte, nicht geben wird. Kein Leitfaden wird Dich oder Dein Kind vor den Sorgen und Ängsten bewahren und aus dem Klinikaufenthalt einen Spaziergang machen. Das habe ich nach unserer Zeit in der Kinderklinik erkannt. Stattdessen war ich einfach nur froh, dass wir es hinter uns hatten.

Ein toller Plan…

Anfang Mai sollte unser Fips operiert werden. Ein Routineeingriff. Polypenentfernung. Außerdem Paukenröhrchen legen. Aber selbst, wenn das für die Ärzte ein Routineeingriff ist, war ich doch sehr angespannt und nervös. Schließlich ist ein Klinikaufenthalt – gerade für ein Kind mit fragilem X-Syndrom – eine große Herausforderung: fremde Umgebung, viele fremde Menschen, ungewohnte Berührungen und völlig neue Situationen, die große Ängste erzeugen können. Ein ungewohnter Tagesablauf und die fehlenden Rituale und Routinen – all das kann ein FraX-Kind völlig aus der Bahn werfen. Und wie sollte ich unseren Fips darauf vorbereiten? Wie sollte ich ihm das alles erklären? Er würde es nicht verstehen. Und dann natürlich die Operation selbst, die mir Sorgen machte. Die Narkose, mögliche Komplikationen. Ja, ich gebe zu: Ich war sehr nervös.

Aber – so dachte ich mir: Die perfekte Gelegenheit, um in dieser Situation wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die ich dann in einem praxistauglichen Leitfaden verpacken kann. Mit sämtlichen Tipps und Hilfestellungen, die Dir die Zeit vor, während und nach dem Klinikaufenthalt erleichtern können. So versuchte ich also, ganz positiv an die Sache heranzugehen. Das war doch mal ein Plan! Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich allerdings noch nicht, dass ich mir mal wieder viel zu viel vorgenommen hatte.

Gut vorbereitet…

Wie immer vor „solchen“ Terminen hatte ich mich gedanklich intensiv vorbereitet und mir alle Fragen und Themen notiert, die ich mit den Ärzten und Schwestern im Vorfeld besprechen wollte. Neben den medizinischen Punkten war für uns der behutsame Umgang mit unserem Fips besonders wichtig, um ihn nicht zu überfordern. Schließlich konnten wir ihm ja nicht wirklich erklären, was da auf ihn zukommen wird. Natürlich haben wir ihm immer wieder vom Krankenhaus erzählt, vom Kinderarzt, der ihm in Mund und Ohren schauen will. Mit einem kleinen Arztkoffer haben wir das ganze sogar nachgespielt. Wir haben gemeinsam Kinderbücher dazu angeschaut und versucht, ihn langsam an das Thema heranzuführen. Trotzdem reichte das natürlich nicht aus, um ihn ausreichend vorzubereiten. Wir mussten also auf das Einfühlungsvermögen der Ärzte und Schwestern hoffen. Und so haben wir in jedem Gespräch mit einem neuen Arzt oder einer neuen Schwester die Situation noch einmal kurz geschildert: Fragiles X-Syndrom, lässt sich nicht gerne anfassen, versteht viele Dinge noch nicht bzw. kommen Erklärungen nicht bei ihm an, bitte möglichst langsam und vorsichtig mit ihm umgehen. Denn aus der Erfahrung heraus wussten wir, wie es ablaufen würde, wenn man all das nicht berücksichtigt. Ein weinendes, schreiendes Kind, dass sich mit Händen und Füßen wehrt und nachher völlig verstört ist… Solche Szenen wollte ich uns allen ersparen.

Was hatte ich eigentlich erwartet?

Im Nachhinein habe ich allerdings das Gefühl, dass die Besonderheiten unseres Kindes, seine Ängste und gerade seine geistige Behinderung im Laufe des Klinikaufenthaltes kaum ein Thema waren. Ja, dass sie teilweise völlig in den Hintergrund getreten sind – obwohl wir es immer wieder erwähnt haben. So traurig mich diese Erkenntnis auch gemacht hat, so sehr habe ich in den folgenden Tagen versucht, diese Situation zu verstehen. Ich wollte nachvollziehen können, warum es so war.

Natürlich hätte ich mir mehr Einfühlungsvermögen und mehr Ruhe von einigen Ärzten und Schwestern gewünscht. Doch wenn ich ehrlich bin: Was hatte ich denn erwartet? Hatte ich wirklich geglaubt, dass sich die Ärzte und Schwestern diese Zeit nehmen, die es braucht, um möglichst gut auf unseren Fips eingehen zu können? Für solche individuellen Bedürfnisse bleibt im Klinikalltag einfach keine Zeit. Und selbst wenn: So wäre noch lange nicht sicher gewesen, dass er gut mitmacht – egal ob beim Blutabnehmen oder bei den Untersuchungen. Es war also zu erwarten, dass es schwierig werden würde. Und da mussten wir alle durch – Kind, Eltern und auch das Klinikpersonal. Für uns als Eltern bedeutete das: Kind festhalten, fixieren, das Weinen und Schreien aushalten. Für die Ärzte hieß es: trotzdem mit ruhiger Hand die Untersuchungen und Behandlungen durchführen. Und während ich diese Zeilen schreibe, merke ich schon, dass es vermutlich bei vielen Kindern genauso abläuft. Kein Kind möchte von fremden Menschen in weißen oder grünen Kitteln gegängelt und gepiekt werden.
Doch andere Kinder können vielleicht ein wenig verstehen, was mit ihnen gemacht wird und warum. Dass ich unserem Fips all diese Dinge nicht erklären konnte und er sie einfach über sich ergehen lassen musste, ihn so hilflos und mit Schmerzen zu sehen, das war wohl das Schlimmste.

Einer von vielen.

Ein weiterer Punkt, der mir in den letzten Tagen klargeworden ist: Gerade die Kinderkrankenschwestern kümmern sich ja um so viele kleine Patienten und sind dabei wirklich ganz herzlich, dennoch fehlt ihnen vermutlich – und verständlicherweise – die Erfahrung mit „besonderen“ Kindern. Woher sollen sie auch wissen, wie sie am besten mit unserem Fips umgehen sollen? Sie können sich ja auch nicht auf jedes einzelne Kind individuell einstellen. Erst recht kein Facharzt, der nicht einmal auf Kindermedizin spezialisiert ist. Sie meinten es alle nur gut, wenn sie beruhigend auf unseren Fips einredeten, während ich mir nur dachte: „Bitte – seid am besten alle still! Er ist ja schon völlig reizüberflutet.“ Und während ich damit beschäftigt war, mein Kind zu trösten, festzuhalten oder mich selbst zu beruhigen, taten die Schwestern und Ärzte einfach ihren Job.

Und so versuche ich Verständnis aufzubringen für die Dinge, wie sie geschehen sind. Weil es sicher alle Beteiligten gut meinen. Das heißt natürlich nicht, dass es für unser Kind auch immer gut ist. Aber das wichtigste ist, dass rein medizinisch, rein fachlich betrachtet alles gut verlaufen ist. Am Ende ist unser Fips – mit seiner Behinderung und all seinen Eigenarten – eben auch nur einer von vielen medizinischen Fällen, die die Ärzte und Schwestern Tag für Tag betreuen und behandeln. Und: Auch die Ärzte und Schwestern und Pfleger sind nur Menschen – in einem System, das irgendwie am Laufen gehalten werden muss und das – wie wir alle wissen – eben auch große Lücken und Probleme hat. Daher kann man sich noch so gut vorbereiten – am Ende kommt vieles anders.

Ein paar Tipps zum Abschluss

Am Ende musste ich mir also eingestehen, dass ich diesmal mit einer fein sauber aufbereiteten Checkliste nicht weiterkomme. In einer solchen Ausnahmesituation wie im Krankenhaus sind einfach nur viel Improvisation und Nervenstärke gefragt. Aber da ich es nicht lassen kann, habe ich nochmal ein paar Punkte zusammengefasst, die Dir vielleicht in Zukunft helfen können:

Vorbereitung zuhause
  • Kinderbücher/Bilderbücher zum Thema Arztbesuch oder Krankenhaus anschauen:
    Hier können Bilder und Begriffe rund um das Thema wunderbar nähergebracht werden.
  • Arztkoffer für Kinder: Mit den verschiedenen Utensilien können Mama und Papa gemeinsam mit dem Kind „üben“, was passieren wird. In den Mund schauen, in die Ohren, eine Spritze geben, die piekt, usw.
  • Bilder vom Krankenhaus oder von Ärzten anschauen – vielleicht findet Ihr auf der jeweiligen Website passendes Bildmaterial.
  • Davon erzählen, dass Ihr in einem anderen Bett schlafen werdet, dass dort viele andere Kinder sind und dass es ein großes Spielzimmer mit vielen neuen Spielsachen gibt. Das Thema präsent machen – aber gut dosiert.
  • Gemeinsam den Koffer packen: Was nehmen wir denn alles mit?! Welches Kuscheltier darf mitkommen?
  • Wichtige Infos für die Ärzte und Schwestern sowie noch offene Fragen notieren
  • Bei Bedarf einige Tage vorher auf der Station anrufen und die Dinge abklären (z.B. ob die benötigte Windelgröße vorrätig ist – gerade bei größeren Kindern)
  • Sämtliche relevanten Unterlagen bereithalten (Versichertenkarte, Einweisung, Arztberichte, Impfpass, sonstige Unterlagen)
Vor Ort: Klare Kommunikation mit Ärzten und Krankenschwestern
  • Dinge, die Euch wichtig sind, wie z.B. der Umgang mit Eurem Kind, seine Besonderheiten usw. unbedingt ankündigen.
  • Bei allen Punkten, die Euch nicht klar sind: Nachfragen!
Unterbringung im Einzelzimmer
  • Wenn es irgendwie möglich ist, nutzt die Chance auf ein Einzelzimmer. Es schafft im turbulenten Klinikalltag ein wenig „Privatsphäre“ und schützt Euer Kind (und Euch) vor dem totalen Overload.
Außerdem…
  • Nehmt wenn möglich eine Begleitperson mit – gerade für die „wichtigen“ Phasen (Arztgespräche, Untersuchungen).
  • Wechselt Euch gegenseitig ab, um zwischendurch Kraft zu tanken
  • Nicht vergessen: Kuscheltiere, Schnuller, Handyvideos, Süßigkeiten… Alles was das Kind aufmuntern kann.
  • Denkt daran, regelmäßig zu essen und vor allem zu trinken! Ein wenig Nervennahrung ist auch sehr hilfreich. 😉
  • Versucht die Zeit vor und nach dem Klinikaufenthalt möglichst stressfrei zu gestalten.

Und nun hoffe ich, dass der ein oder andere Tipp für Euch dabei ist, der Euch in Zukunft bei Bedarf ein wenig weiterhilft!

Bildquelle: pixabay / ReaxionLab

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