Das fängt ja gut an, denke ich mir. Es ist gerade mal 7:30 Uhr am frühen Morgen, und unser Fips hat schon das erste Mal richtig schlechte Laune. Und ich gleich auch! Gratulation! Dabei war er doch heute ausnahmsweise mal wieder so gutgelaunt aufgewacht. Was stimmt denn jetzt schon wieder nicht? Ich atme tief durch und puste durch die Lippen, um einigermaßen ruhig zu bleiben.
Auf der Suche nach…?
Also: Die Windel ist frisch, sein Fläschchen hat er schon getrunken, geschlafen hat er letzte Nacht auch ganz gut, und gerade eben haben wir schön gefrühstückt – Hunger und Durst fallen also auch raus. Wie so oft gehe ich in Gedanken alle möglichen Punkte der Reihe nach durch und komme trotzdem zu keinem Ergebnis. Pfffffff… Meine Güte. Das kann doch nicht so schwer sein! Das Kind ist 4 ½ und ich weiß nicht, wo das Problem liegt? Und ich bin mir sicher – es GIBT einen Grund für seine schlechte Laune! Leider wird er mir den aber nicht verraten. Stattdessen muss ich selbst draufkommen! Okay, einen Versuch habe ich noch, um dem penetranten Gejammere und Gequengel ein Ende zu setzen: den Schnuller. Aber: Fehlanzeige! Auch das ist es nicht.
Und während ich kurz davor bin, durchzudrehen, scheinen die Synapsen in meinem Hirn endlich ihre Arbeit aufgenommen zu haben: ZACK! Volltreffer! Meine kleinen grauen Zellen haben an diesem frühen Morgen scheinbar doch noch einen kurzen Glanzmoment. Und so stelle ich fest:
Aaaaahhh! Wir haben heute Morgen etwas ganz Wichtiges vergessen! Dass ich da aber auch nicht gleich draufgekommen bin! Das sollte ich zukünftig in die Liste mit aufnehmen – neben Windel, Fläschchen & Co. Schließlich müsste ich es doch langsam wissen!
Kuscheln! Wir haben vergessen zu Kuscheln!
Ja, es ist tatsächlich so simpel! Das Kind braucht einfach nur SPÜRUNG! Für heute Morgen heißt das: eine Runde Kuscheln. Schnuller in den Mund, mit Mamas Haaren spielen und einfach nur ruhig dasitzen. Körperkontakt, ein paar Streicheleinheiten, einen Moment mal Ruhe. Und die Welt ist wieder in Ordnung.
Leider vergesse ich das im Alltag immer wieder und wundere mich jedes Mal darüber, dass unser Fips so unzufrieden ist. Dann suche ich nach den ganz offensichtlichen Punkten wie Hunger, Durst usw. und vergesse dabei, dass für unseren Fips eben auch das Kuscheln (oder Kitzeln, Raufen und Balgen) eine ganz essentielle Bedeutung hat. Gerade in Gesprächen mit unserer Ergotherapeutin oder bei der Frühförderstelle wird mir das immer wieder bewusst – dass unser Fips die Welt eben anders wahrnimmt als wir. Durch seine sensorische Integrationsstörung hat er ein anderes Gefühl für seinen Körper, für die Reize aus der Umwelt und für den Raum, der ihn umgibt – er verarbeitet all die Reize ganz anders. Diese Störung in der Körperwahrnehmung und sein schwacher Muskeltonus führen dazu, dass er teilweise sehr starke bzw. andere Reize braucht, um sich selbst zu spüren und sich wieder wohler zu fühlen. Mir fällt es natürlich schwer, mich in diese Situation hineinzuversetzen. Daher vergesse ich es vermutlich auch immer wieder.
Von Igelbällen, Rasierschaum und Erbsentonnen
Auch wenn unser Fips Körperkontakt sehr oft ablehnt, merke ich auf der anderen Seite, wie sehr er gewisse Berührungen braucht und wie gut sie ihm tun. Dabei ist es egal, was es ist – Hauptsache er spürt etwas, Hauptsache er spürt SICH. In der Ergotherapie und der Frühförderung habe ich im Laufe der Zeit viele Anregungen dafür bekommen, die ich im freien Spiel zuhause noch um einige Ideen ergänzt habe. Daraus ist eine ganze Ideen-Sammlung entstanden, die ich mir hier selbst noch einmal zusammengestellt habe. In Zukunft reicht also ein kurzer Blick auf meine Liste – und irgendetwas passendes findet sich immer. Vielleicht bekommst auch Du hier die eine oder andere Anregung für spielerische sensorische Reize im Alltag:
- Kastanien, Erbsen, Murmeln – und am besten ganz viel davon. Für das Spiel mit den Händen reicht eine große Schüssel – gefüllt bis kurz unter den Rand. Für noch mehr Körperwahrnehmung eignet sich eine gefüllte Wäschewanne. Und das absolute Highlight bei uns: Die Erbsentonne – eine extra große Tonne, z.B. aus dem Baumarkt, gefüllt mit Erbsen. So bleibt das Kind in der Aufmerksamt voll und ganz bei sich selbst und wird nicht durch visuelle Reize abgelenkt.
- Bällebad – ob im Spielecenter oder als kleine Variante zuhause – immer wieder ein beliebter Klassiker
- Igelball – die kleinen Stacheln können am ganzen Körper für eine lustige Massage sorgen
- „Busch Wusch Ball“ – die Silikonfäden kitzeln so schön und regen zum Fühlen und Tasten an
- Kitzeln und Kabbeln nach Lust und Laune – auf der Couch, auf einem weichen Teppich oder einer großen Spielmatratze – am besten gegenseitig – das bringt richtig Spaß
- Kuscheln – mit Mama oder Papa, dem Lieblingskuscheltier und einer kuscheligen Decke – macht es Euch richtig gemütlich und genießt diesen ruhigen Moment (ohne Handy oder TV)
- Kleine Massage – z.B. nach dem Baden – mit einer guten Lotion oder einem zarten Öl – sorgt für ruhige Stimmung und entspannt; gerne auch vor dem Einschlafen als Fußmassage
- Föhnen – die warme Luft sorgt nicht nur am Kopf, sondern am ganzen Körper für angenehme Sinnesreize oder für ein lustiges Kitzeln
- Schaukeltuch – der enganliegende Stoff bietet Halt und Begrenzung für den kleinen Körper. Das Schaukeln fördert zudem den Gleichgewichtssinn und macht einfach Spaß!
- Nestschaukel – die Schwungbewegungen geben Spürung und sind gut fürs Gleichgewicht.
- Rasierschaum, Fingerfarbe & Co. – alles was richtig schön weich und matschig ist – perfekt zum Experimentieren und Erleben
- Sand, Schotter und Kieselsteine – einfach reinsetzen und loswühlen
- Wiese/Gras – oft sehr gewöhnungsbedürftig, aber ebenfalls sehr effektiv für den Tastsinn und die Körperwahrnehmung
- Noppenmatte/Fußmassagematte – lustiger Spaß mit Kitzelfaktor
- Sensorische Bürste oder einfach: eine Nagelbürste – perfekt zum Massieren und streichen der Haut
- Wasserspiele: Ob in einer Schüssel zum Putscheln mit den Händen oder beim Duschen mit der Handbrause, ob warm oder kalt oder sogar gefroren als Eiswürfel – Wasser ist so vielfältig und macht einfach Spaß
- Große Kuscheltiere – die können geknuddelt und geknautscht werden oder zum gemeinsamen Toben genutzt werden
- Sitzsack – herrlich zum reinlümmeln und kuscheln
Und nun wünsche ich Euch ganz viel Spaß damit! Noch mehr Ideen und Anregungen für geeignete Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten sind übrigens schon in Arbeit. 😊
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